Über Äpfel und Birnen und hinkende Vergleiche

Martin Spiewak warnt medienwirksam in der ZEIT Nr 43: „Mit dem Osten rechnen“

Der Ländervergleich über Unterrichtsqualität des Berliner IQB suggeriert, wie häufig solche empirischen Studien, klare Ergebnisse wie „Ost schlägt West“ oder „Es liegt an den Lehrern!“ Politiker und Journalisten mögen solche Verkürzungen, obwohl sie doch häufig falsch sind.

Ich weiß durchaus wovon ich rede, war ich doch fast zwei Jahrzehnte Wissenschaftler am Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften in Kiel und ab 1992 Professor für Physikdidaktik an der Universität Potsdam und habe so vieles hautnah in Ost und West erfahren können. Auch an Schulen auf beiden Seiten konnte ich tätig sein. Ferner habe ich für den Verlag  „Volk und Wissen / Cornelsen“  Sek 1- Physikbücher verfasst, die gerade in den Top-fünf neuen Ländern eine hohe Verbreitung haben.

Eine solche Einschätzung, wie jene von Spiewak ist eben eine unzulässige Verkürzung, denn die Problematik ist höchst komplex und lässt sich nicht formelhaft zusammenzufassen. Ich will versuchen nur fünf klärende Gesichtspunkte zu nennen:

  • Die Kompetenz und das Engagement der Lehrkräfte sind, das belegen viele Untersuchungen, der Hauptschlüssel für Unterrichtsqualität und Lernerfolg. Alle Länder, wo Lehrer bis zu einem Drittel fachfremd unterrichten, alle ausschließlich im Westen, sind im Ranking infolgedessen unten. Physik kann man sich als Lehrer eben nicht mal so nebenbei aneignen.
  • In der DDR genoss die Physik als Wissenschaft ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Technikfeindlichkeit  war wenig verbreitet. Im Gegenteil gab es eine unkritische Technikgläubigkeit gerade bei den Physiklehrern
  • Der Physikunterricht zelebrierte eine positivistische eng fachliche Sicht von Wissenschaft und „verbrauchte“ wenig Lernzeit für wissenschaftskritische Debatten.
  • Methodisch wurde der Unterricht im Osten eng fachlich geführt mit systematischen Festigungs- und Übungsphasen. Alle in Westdeutschland verbreiteten Formen offenen, schülerorientierten  Unterrichts verfolgen über das fachliche hinausgehende soziale Ziele.
  • Lehreraus- und Fortbildung, Stundentafeln sowie unterrichtbegleitende Lernzirkel und naturwissenschaftliche Schülerolympiaden haben vielfach erstaunlicherweise die Wende überlebt.

Man sollte deshalb die Frage stellen, ob man einen solchen gesellschaftspolitisch und wissenschaftstheoretisch unkritischen Physikunterricht , wie es das Foto der drei braven Schüler hinter vorschriftsmäßigem Versuchsaufbau vor perfektem Tafelbild signalisiert, wirklich will, auch wenn die Testergebnisse besser sind.  Aber ist das wirklich naturwissenschaftliche Bildung?

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